Der niederländische Kunstfälscher Han van Meegeren wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als Nationalheld gefeiert. Die Holländer wählten ihn in einer Umfrage zum zweitbeliebtesten Bürger des Landes – knapp hinter dem Premierminister. Kurz zuvor drohte ihm noch die Todesstrafe als Kollaborateur der Nazis. Wie ist es dazu kommen?

Kunstfälscher haben in der Öffentlichkeit einen seltsamen Ruf. Obwohl sie Millionenschäden, zum Teil auch in öffentlichen Haushalten verursachen gelten sie vielen nicht wirklich als Kriminelle, sondern als handwerkliche Könner, die mit ihren „Schelmenstreichen“ die Elite von Kunstexperten und reichen Sammlern hinters Licht führen.

Bei genauerer Betrachtung sind es weniger ihre meist begrenzten künstlerischen Fähigkeiten, die der Täuschungskraft ihrer Fälschungen zugrunde liegen, sondern vor allem Geschick, Fleiß und Sorgfalt bei der aufwendigen Simulation eines Originals aus authentisch gealterten Materialien, begleitet von ebenfalls gefälschten Dokumenten, die die Echtheit bezeugen sollen. Die Faszination fußt also zu einem guten Teil auf der außergewöhnlichen Konzentration kleinbürgerlicher Werte.

Weitere Zutaten für eine überzeugende Fälschung sind die allgemeine Begeisterung, wenn nicht unreflektierte Verehrung eines Künstlers und seiner meist kaum verfügbaren Originale. Und schließlich gehört auch ein Markt dazu, der die relevanten Akteure auch an Fälschungen bestens verdienen lässt.

Der Fall Han van Meergeren (1889–1947) ist dennoch ein ganz besonderer – nicht nur, weil der Fälscher selbst noch mehr als 60 Jahre nach seinem Tod z.B. mit einer großen Ausstellung seiner Fälschungen im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam geehrt wurde. Der Maler hatte in den 1930er und 1940er Jahren mit Fälschungen nach Art des niederländischen Malers Jan Vermeer (1632–1675) für Aufsehen gesorgt. Die Motive hatte er dem Kanon des Barock entlehnt, aber selbst entwickelt. Auch damals war die Begeisterung für Vermeer schon sehr groß und seine Bilder äußerst knapp. Heute gelten nur 37 Werke als originale Vermeer-Arbeiten.

Han Van Meegeren Vermeer Fälscher

Zu seinen Opfern zählten auch die Kunsteinkäufer des Reichsmarschalls Hermann Göring, einer der führenden Schergen des nationalsozialistischen Regimes. Göring nutzte den Krieg, um sich europaweit eine hochkarätige Kunstsammlung zuzulegen – vergleichbar mit den Kunstraubzügen Napoleons.

Görings Kunstagenten hatten während des Krieges 1,65 Millionen Gulden für das „Vermeer“-Gemälde Christus und Ehebrecherin von 1930 gezahlt, weil Göring geradezu vernarrt in die Idee war, einen echten Vermeer zu besitzen. Jan Vermeer genoss zu jener Zeit eine steigende Wertschätzung und religiöse Darstellungen waren von ihm bis auf zwei Ausnahmen unbekannt.

Kunstexperten sahen im frühen Vermeer einen Anhänger Michelangelo Merisi da Caravaggios (1571–1610), doch es fehlten bislang die Beweise. Nahezu gierig erwarteten Fachleute und die Öffentlichkeit weitere Entdeckungen. Und genau hier setzte der Fälscher Han van Meegeren an, der zunächst Fachliteratur über Vermeer und Caravaggio studierte und dann die Erwartungshaltung der Experten mit „Vermeer“-Werken wie Das letzte Abendmahl oder Die Jünger von Emmaus passgenau bediente.

Han van Meegeren: "Das letzte Abendmahl"
Das letzte Abendmahl I von Han van Meegeren am 31. August 1984 auf der elften “kunst- en antiekbeurs” in Rotterdam (Foto: Croes, Rob C., Fotocollectie Anefo, Nationaal Archief NL, 933-0616)

Kunstfälscher Van Meegeren als neuer Vermeer

Der Fälscher war aus verletztem Künstlerstolz darauf erpicht, am Kunstestablishment Rache zu nehmen, das ihn nach ein paar kleinen Erfolgen in den 1910er und 1920er Jahren wegen seiner gefälligen Tierbilder und Salonporträts hatte abblitzen lassen. Er konnte mit moderner Kunst nichts anfangen, flüchtete in die Vergangenheit und vertiefte sich in altmeisterliche Techniken. Die Kränkung des Künstleregos indes blieb.

In frühen Jahren hatte der Maler durchaus finanziellen Erfolg gehabt, der Kritik jedoch galt er als effektheischender Societymaler, als Künstler ohne eigene Handschrift, als Kitschier, der auf populäre Motive setze – Fähigkeiten, die ihm bei seiner Revanche als Fälscher offenbar dienlich waren.

Vermeer Fälschung
Diesen Fake „Vermeer“ nannte der Fälscher Fußwaschung, aber die Hauptrolle spielen eindeutig die Kulleraugen und ungelenken Gesten Jesu.

Mit viel Disziplin eignete er sich das Wissen und die Fertigkeiten an, annähernd im Stil Vermeers malen zu können. Jetzt wollte er sich an den Kunstkritikern rächen und natürlich viel Geld verdienen – zum Schaden der Museen, der Sammler und der Kunsthändler. Und tatsächlich. Es gelang ihm, über diverse Privatsammler eine Reihe von „Vermeer“-Gemälden abzusetzen. Den Vorstand der illustren Rembrandt-Vereinigung und den Direktor des Amsterdamer Rijksmuseums hatte er bald überzeugt.

Den Ritterschlag erhielt seine Fälscherkunst durch den niederländischen Großkritiker Abraham Bredius, der 1932 den ersten Van-Meegeren-Vermeer für echt erklärte. Im angesehenen Fachblatt Burlington Magazine verkündete Bredius vollmundig seine Entdeckungen.

Nun kam das Geschäft richtig in Schwung. Auch Institutionen wie das Boymans van Beuningen-Museum in Rotterdam befleißigten sich, bislang unbekannte „Vermeers“ zu erwerben. Der Fälscher indes kam schnell zu großem Wohlstand, besaß bald Häuser in Frankreich und Beteiligungen an Nachtclubs, in denen er selbst sein bester Kunde war.

18 falsche Altmeistergemälde konnte man ihm am Ende nachweisen. Aus heutiger Sicht erscheint es rätselhaft, wie sich die Museumsdirektoren, Experten und Händler täuschen ließen: Der Figurentypus, die Physiognomie der Gestalten sind auffällig und stereotyp: Tiefe Augenhöhlen und hervortretende Augäpfel, hohlwangig und blass.

Die Stofflichkeit ihrer Kleidung wirkt schwach und wenig zeitgemäß, die Farben stumpf. Nicht nur auf der Abendmahl-Fälschung wirken seine Figuren seelenlos und müde, die Anstrengungen des Malers sind dafür umso lebhafter zu erfahren. Fehler in den Proportionen kommen hinzu – der Fälscher malte aus Diskretionsgründen ohne Modelle. Doch in Kriegszeiten gab es wenig Vergleichsmöglichkeiten – viele Werke waren unzugänglich in Depots gelagert.

Auch Alte Meister haben schwache Werke – Christus bei Maria und Martha. Vermeer malte es mit 22 Jahren. Es ist neben der Allegorie des Glaubens das einzige gesicherte Werk Jan Vermeers mit religiösem Motiv. Den Maßen nach ist es sein größtes Bild (160 x 142 cm). Zu sehen in der Scottish National Gallery, Edinburgh

Zudem konnte man damals noch nicht auf das reichhaltige Arsenal von Analyseverfahren zurückgreifen, das heute in Streitfällen zum Einsatz kommt. Doch ausschlaggebend für die getrübten Augen von Laien wie Fachleuten war letztlich die fiebrige Erwartungshaltung, endlich unbekannte Vermeers zu finden.

Der Fälscher hatte außerdem Methoden entwickelt, durch Materialwahl (Bakelit plus Pigmente), künstliche Verunreinigungen und die Trocknung des Gemäldes bei 200 Grad im Ofen alte Bildoberflächen mit feiner Rissbildung (Craquelure) zu simulieren. Mithilfe eines komplexen Netzes von Zwischenhändlern brachte der Fälscher seine Arbeiten auf den Markt.

Auch Nazi-Göring geht dem Kunstfälscher auf den Leim

Der Göring-Coup wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Als ein Zwischenhändler ausfiel, der Reichsmarschall aber auf dem Handel bestand, musste Van Meegeren persönlich in Erscheinung treten. Der Nazi-Bonze wusste bis zu seiner Hinrichtung nicht, dass er jahrelang in seinem Landsitz „Carinhall“ einen falschen Vermeer hängen hatte. Nach dem Krieg, als Görings Kollektion beschlagnahmt wurde, konnte man die Spur zu Van Meegeren zurück verfolgen. Zudem fand man in der Berliner Reichskanzlei ein Skizzenbuch des Holländers, das „dem geliebten Führer“ gewidmet war. Der Fälscher war eine Zeit lang Sympathisant der Nazis und sandte 1942 einen Gruß voller Bewunderung an Adolf Hitler.

Zu Besuch bei den Görings – Hermann Göring präsentierte dem Taufpaten Hitler sicher nicht nur seine Tochter Edda, sondern auch zahlreiche Bilder aus seiner mittels Raub und Erpressung zusammengetragenen Kunstsammlung. Noch 2014 verlangte die Tochter per Petition die Herausgabe eines Teils des väterlichen Vermögens, das weitgehend auf seinen Verbrechen während des NS-Regimes beruhte.

Niederländische Polizisten machten Van Meegeren ausfindig, der so bereits im Mai 1945 inhaftiert wurde. Er sollte wegen Kollaboration mit den Nazis angeklagt werden. Der empfindsame Fälscher erlitt einen Nervenzusammenbruch, denn immerhin drohte ihm mit dieser Anklage eine hohes Strafmaß, bis hin zur Todesstrafe.

Um sich herauszureden, gab er im Verhör schließlich an, Göring mit einer Fälschung bewusst geschädigt zu haben, und diese Fälschung selbst vorgenommen zu haben. Sein Kalkül war, dass das Strafmaß für Betrug weit geringer ausfallen würde als für Kollaboration. Für ihn glückliche Umstände führten schließlich dazu, dass er seine Fähigkeiten als Fälscher im Gefängnis unter Beweis stellen sollte. So malte er unter staatlicher Aufsicht seine letzte Vermeer-Fälschung Jesus unter den Schriftgelehrten.

Ein Fälscher fälscht um sein Leben – Han van Meegeren im alten Goudstikker-Gebäude in Amsterdam, wo auch das Büro des Ermittlers lokalisiert war. Unter Aufsicht gerichtlich bestellter Zeugen malte der Fälscher das Bild Jesus unter den Schriftgelehrten. Der Kunsthändler Jacques Goudstikker musste vor den Nazis fliehen. Seine Sammlung wurde auch zur Beute von Hermann Göring.

So wurde die Kollaborationsbeschuldigung schließlich fallengelassen. Von seiner Popularität und dem Ruhm, als Nazifopper in die Geschichte einzugehen, hatte Van Meegeren nicht mehr viel. Die einjährige Haftstrafe musste der Fälscher aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr absitzen. Er starb sechs Wochen nach der Urteilsverkündung. 

Zeitgenössischer niederländischer Filmausschnitt „Proces Han van Meegeren“ (1947)

Nach wie vor aber zieht seine Geschichte viele Menschen in ihren Bann. Zuletzt erschien 2019 mit „The last Vermeer“ ein Spielfilm, der die Verwicklungen rund um die gefälschten Vermeers und Görings Kunstraub in den Niederlanden spannend inszeniert.

Vermeer Fälscher
Hollywoodstar Guy Pearce in der Rolle des Lebemanns und Vermeer-Fälschers


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