Unseriöse Kunstexperten und Gutachter gedeihen prächtig in den Grauzonen des Kunstmarktes. Fehlende Regeln (wie z.B. Meldepflichten und Mindeststandards für Gutachten) sind einfach zu gut fürs Geschäft. Wenn unseriöse Sammler und Händler Verdacht schöpfen, eine Fälschung erworben zu haben, vermeiden sie es, diese zu entlarven, um nicht auf dem finanziellen Verlust sitzen zu bleiben und die Ware besser weiterverkaufen zu können. Welche Möglichkeiten gibt es, damit umzugehen?
Die Beobachtung, dass echte Aufklärung oft gar nicht erwünscht ist, machte Andreas Burmester vom Doerner Institut in München. Das Doerner Institut ist ein hochspezialisiertes Labor, das hauptsächlich für die Bayerische Staatsgemäldesammlung verantwortlich ist. Viele private Anfragen und Ermittlungen im Auftrag des Landeskriminalamts kommen hinzu. Burmester ist überrascht, was für schlechte, offensichtliche Fälschungen auf dem Markt sind.
Allerdings werden die meisten Werke auch nie in einem geeigneten Labor untersucht. Manche Gemälde indes wurden im Doerner Institut sogar mehrfach zur Analyse eingeliefert – im Lauf der Jahre von unterschiedlichen Eigentümern. Nach dem negativen Bescheid des Instituts, dass es sich um eine Fälschung handelt, sind sie einfach als vermeintliche Originale weiterverkauft worden. Natürlich möchte keiner der geprellte Endabnehmer werden und sucht lieber noch schnell einen anderen Dummen, dem er das Werk weiterverkaufen kann. Im Zweifel mit einem weniger aussagekräftigen Gutachten aus anderer Hand.
Man könnte annehmen, dass bei Auktionen für hohe Summen gehandelte Objekte einem gewissen Prüfungsstandard unterliegen, also die zweifelsfreie Klärung der Provenienz, eine stilkritische Einordnung und die kunsttechnologische Untersuchung inklusive Materialanalytik und strahlentechnischer Untersuchung. Das ist aber mitnichten der Fall.
Unseriöse Kunstexperten, unseriöse Kunstsammler
Ein einfaches Labor zu täuschen, ist fortgeschrittenen Fälschern durchaus möglich. Denn nur ein wirklich gut ausgestattetes Institut kann die kostspieligen wissenschaftlichen Untersuchungen anbieten, die eine Fälschung definitiv ausschließen. Die Dendrochronologie misst das Alter von Holz, im Woodschen Licht lassen sich Übermalungen sichtbar machen, künstliche Altersspuren entlarvt die Röntgenfluoreszenzanalyse.
Bei Bronzeplastiken geht es darum, künstlich erzeugte Korrosionsschichten von langsam gewachsenen zu unterscheiden. Eine Metallanalyse kann ermitteln, welche Legierungen verwendet wurden und auf diese Weise ermöglichen, das Objekt zu datieren. Keramik und steinerne Objekte lassen sich mittels Computertomografie durchleuchten. So werden Schnitte, Klebestellen und Materialunterschiede im Inneren des Objekts sichtbar gemacht.
Im Alltag scheuen allerdings viele Verkäufer und Käufer diesen teuren und zeitlichen Aufwand. Und bisher kann sie auch niemand zwingen, qualifizierte Labore zu beauftragen, um ihr teuer bezahltes Werk am Ende womöglich als wertlose Fälschung enttarnt zu sehen. Und es gibt bisher auch keine zwingenden Mechanismen, die im Fall der Fälle greifen und eine zentrale Stelle über nicht authentische Werke informieren.
An diesem Punkt kommen Kunstexperten ins Spiel. Museumsdirektoren, Kunstwissenschaftler und Gutachter haben in vielen Fällen fragwürdiger Provenienzen eine Schiedsrichterfunktion. Neben den wissenschaftlichen Methoden besitzen sie die Autorität, Werke zu verifizieren und damit in den Kunstmarkt einzuspeisen.
Händler und Sammler bitten um Gutachten, die zum Teil mit hohen Honoraren vergütet werden. Bis zu fünf Prozent des Schätzpreises werden gezahlt. Da ist die Versuchung groß, für eine sechsstellige Summe ein paar flüchtige Zeilen zu verfassen. Die Gutachten werden dann als Zertifikate zusammen mit dem Kunstwerk verkauft und steigern den Verkaufswert erheblich – ein Geschäft, an dem alle Beteiligten gut verdienen.
Unseriöse Kunstexperten, wankelmütige Gutachter
Wie Gemälde, so werden auch Gutachten gefälscht, wenn es dem Geschäft dient. Fliegen die Fälschungen dennoch auf, haben die renommierten Gutachter Mühe, ihren Ruf zu schützen. Nun kommt es auf Einfallsreichtum an. Der niederländische Experte C. Hofstede de Groot hatte 1924 für einen Kunsthändler ein Werk des hoch gehandelten niederländischen Malers Frans Hals (ca. 1580–1666) zertifiziert, das vom Käufer als Fälschung entlarvt wurde.
Hofstede de Groot blieb bei seinem Gutachten, auch nachdem ein Gericht die Fälschung zweifelsfrei als bewiesen ansah. Um Berufungsverfahren und Ansprüche des geprellten Sammlers zu vermeiden, kaufte der Gutachter selbst das »echte« Bild für 50.000 Gulden – und entzog es auf diese Weise weiteren kritischen Blicken der Öffentlichkeit.
Ein anderes Beispiel: Für die falschen Van-Goghs des Kunsthändlers Otto Wacker hatte der renommierte Kunstkenner Julius Meier-Graefe 1928 Gutachten angefertigt, die gutgläubigen Käufern vorgelegt worden waren. Im Prozess sagte Meier-Graefe aus, Expertisen hätten generell einen sehr geringen Wert (was wohl bis heute stimmt). Die Sammler, die nach Expertisen kauften, seien selbst Schuld, wenn sie betrogen würden.
Manchmal kommt es auch vor, dass Kunstwissenschaftler und Museumsmitarbeiter Gutachten für Fälschungen (oder „Fan-Art“, also aus Verehrung entstandene Nachschöpfungen) erstellen – nicht aus kriminellen Motiven, sondern aus Unkenntnis. Manche Händler sind der Ansicht, dass Kunsttheoretiker, die die Werke meistens nur aus Bildbänden kennen oder im Glasrahmen gesehen haben, besonders leicht zu täuschen sind, während sich erfahrene Galeristen, durch deren Hände schon viele Originale gegangen sind, nicht so leicht hinters Licht führen lassen.
Manchmal ist es auch die Aura des Sensationellen oder historisch Bedeutsamen, die Entdeckungen umgibt, auch wenn sie sich später als Fälschungen oder Manipulationen erweisen. Von solch seltenen Momenten zutiefst beeindruckt, sind manche Kunstexperten dann bereit, sich weit aus dem Fenster zu lehnen. Sie wollen die ersten sein, die eine kunsthistorische Sensation bewerten, kommentieren und damit für ihr Renommee nutzen können (siehe auch diesen Beitrag)
Diese Eitelkeit der Kunstexperten lässt sich gut ausnutzen. So geschah es 1984 in Livorno, als sich einige Jugendliche den Scherz erlaubten, zum 100. Geburtstag von Amedeo Modigiliani (1884–1920) seiner Heimatstadt eine Sensation zu bescheren. Sie meißelten drei Skulpturen in seinem Stil und warfen sie nachts in einen städtischen Kanal, in dem Bagger gerade Schlick aushoben. Am Tag darauf wurden die Figuren gefunden und gingen als sensationeller Fund durch die Presse. Namhafte Kunsthistoriker schalteten sich ein und erklärten die Funde für echt.
Kann das Publikum zum Kunstexperten werden?
Einen originellen Weg, die Kunstbetrachter zu ermächtigen, um selbst Unterschiede zwischen Original und Fake zu erkennen, wählte das Museum Ludwig in Köln und machte damit weltweit Schlagzeilen. Die Ausstellung „Original und Fälschung – Russische Avantgarde im Museum Ludwig“ ist nicht weniger als eine Sensation für eine solche Institution.
Direktor Yilmaz Dziewior steht für einen neuen Umgang mit dem kunsthistorischen Erbe und will die Sammlung nicht nur angesichts mangelnder Diversität repräsentierter künstlerischer Positionen neu ordnen. Er ermöglicht auch die Realisierung kuratorischer Ideen, die unter früheren Leitungen des Hauses schlichtweg undenkbar waren.
Zu diesen Ideen gehört jene der stellvertretende Direktorin Rita Kersting und der Gemälderestauratorin des Museum Ludwig Petra Mandt, das Sammlungskonvolut der russischen Avantgarde einer genauen Prüfung zu unterziehen und im Rahmen einer Ausstellung öffentlich zu machen. Verdachtsmomente gab es indes schon seit den 1980er Jahren als ein erster Run auf diese Werke einsetzte.
Geprüft wurden bislang 49 der insgesamt 600 Arbeiten (darunter 100 Gemälde), die Peter und Irene Ludwig aus dem Themenfeld der russischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts mit Berühmtheiten wie Kasimir Malewitsch, Alexander Rodtschenko und Liubow Popova erworben hatten. Von den 49 Gemälden erwiesen sich sage und schreibe 22 als Kuckuckseier. Sie wurden dem Ehepaar Ludwig als Werke von hoch dotierten Künstlern verkauft, die diese gar nicht gemalt hatten. Das lässt auch für den Rest des Konvoluts nichts Gutes ahnen.
Nicht alle sind von dieser neuen Transparenz in der Museumsarbeit begeistert, allen voran die Schweizer Galerie Gmurzynska, die gute Geschäfte mit den Ludwigs gemacht hat. 81 der 100 Gemälde wurden über die Galerie erworben. Sogleich wurde ein (erfolgloser) Prozess gegen die noch im Vorfeld der Ausstellung bekannt gewordenen Pläne angestrengt. Man fühlte sich davon wohl ausgegrenzt, gleichwohl man selbst der Bitte des Museums Ludwig, Unterlagen zu den Provenienzen der Werke vorzulegen, nicht nachgekommen war. Nun wurden bereits 6 Gemälde, die Gmurzynska verkaufte, als nicht authentisch enttarnt.
Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit von Kersting und Mandt in der Breite Schule macht und die Museen sich kompromisslos der Qualität verschreiben. Dazu gehört eine transparente Kommunikation wie die vom Museum Ludwig, aber auch, sich gemeinsam auf strenge Prüfungsstandards zu verständigen; zum Beispiel bei Schenkungen, Leihgaben und Ankäufen auf eine vollständige Prüfung der Authentizität zu bestehen. Und natürlich sollte es verbindliche Qualifikationen auch für Kunstexperten geben. Vielleicht lassen sich so die Mechanismen des Kunstmarktes aushebeln, die Transparenz und Aufklärung entgegenstehen.
Ungeklärte „Altlasten“ aber wird es auch in der Sammlung Ludwig bis auf weiteres wohl noch geben, denn, so sagt Rita Kersting in einem DLF-Interview selbst: „Gemälde kann man sehr viel besser untersuchen als Papierarbeiten, wo der Nachweis (…) sehr viel schwerer ist.“
[Beitragsbild unter Verwendung eines Bildes von taras-chernus auf unsplash]