Monumentale Frauen sind selten in der Kunstgeschichte, während die Menschheit an Riesenskulpturen für männliche Helden seit der Antike gewöhnt ist – ein Betätigungsfeld für Monsterbildhauer wie Arno Breker oder Surab Zereteli. Frauenskulpturen in XXL sorgen hingegen bis heute noch für Aufsehen und stellen für viele eine Provokation dar.
Die Statue des indischen Unabhängigkeitskämpfers und Politikers Vallabhbhai Patel ist mit 182 Metern die höchste der Welt. Erstaunlicherweise handelt es sich dabei um ein Personendenkmal. Derartig große Figuren werden in der Regel nur Gottheiten oder allegorischen Figuren gewidmet.
Die ersten Frauen finden sich auf den Plätzen sieben, elf und sechzehn der Liste größten Statuen der Welt: Es handelt sich um das patriotische sowjetische Kriegsdenkmal „Mutter Heimat“ in Kiew, um die Freiheitsstatue in New York und die Mutter-Heimat-Statue in Wolgograd (früher Stalingrad), auch ein Siegesdenkmal für die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Alle drei sind ebenfalls allegorische Figuren.
Monumentale Frauen – lange nur als Nebenfiguren männlicher Giganten denkbar
Monumentale Frauen, d. h. Großskulpturen, die bedeutenden Frauen oder der Weiblichkeit an sich gewidmet sind, Skulpturen, die den weiblichen Körper feiern und verherrlichen, sind äußerst selten – und haben nach wie vor großes Provokationspotential. In der Kunstgeschichte bis hin zur Gegenwart sind der „bedeutende“ Mann und der „starke“ Männerkörper gängige Themen für die Bildhauerei: Standbilder, Monumentalbüsten und Reiterdenkmäler für Könige, Generäle und Entdecker, Muskelberge und Six-Pack-Landschaften an Kriegerdenkmälern, Helden- und Sportlerfiguren. Wenn mal eine „große“ Frau dabei war, dient sie als Begleitperson für einen noch größeren Mann. Gängig war beispielsweise im Realsozialismus eine monumentale Doppelplastik von Arbeiter und Bäuerin.
Ein spätes Echo fand dieses Muster im Senegal: Aus nordkoreanischer Produktion erhielt das Land 2010 das „Monument de la Renaissance africaine“. Die 49 Meter hohe Bronzestatue wurde in Dakar 2010 am Cap Vert errichtet und ist die höchste Statue Afrikas.
Stilistisch konsequent in sowjetischer Tradition gehalten zeigt es einen himmelwärts vorstürmenden Muskelmann gefolgt von einer deutlich kleineren Frau. Ein wirklich eigenartiges und – ungeachtet seiner vorwärtsstürmenden Dynamik – grotesk rückwärts gewandtes Werk: Der Heldenmann hat der Frau sogar das Kind abgenommen, so dass ihr nicht einmal die Mutterrolle bleibt und sie buchstäblich zur schmückenden Randfigur wird.
Monumentale Frauen als Motive in der Gegenwartskunst
Nur wenige Künstlerinnen und Künstler befassten sich mit raumgreifenden monumentalen Darstellungen von Weiblichkeit. Die Schweizer Bildhauerin Niki de Saint Phalle (1930–2002) ging hier in den 1960er Jahren voran: Megabunt, Megarund und zugleich schwerelos eroberten ihre abstrahierten Frauengestalten im Laufe der 1970er und 1980er den öffentlichen Raum.
Als spektakulären Auftakt installierte sie 1966 im Stockholmer Moderna Museet eine 29 Meter lange liegende Frauenskulptur mit dem Namen Hon, die durch die Vagina betreten werden konnte und in deren Innerem sich unter anderem eine Bar und ein Kino befanden. Seither ist der Name Niki de Saint Phalle sehr eng mit monumentalen Frauendarstellungen verbunden.
In den 1990er Jahren errichtete der Bildhauer Peter Lenk gegen starke politische und religiöse Widerstände am Konstanzer Hafen die bislang größte Frauenskulptur Deutschlands. Die neun Meter hohe Plastik Imperia trägt auf ihren ausgebreiteten Armen zwei winzige nackte Männerfiguren, einen Papst und einen Kaiserfigur.
Benannt nach der Kurtisane „La belle Impéria“, einer Romanfigur des französischen Schriftstellers Honoré de Balzac (1799–1850), ist sie auch als Anspielung auf die mittelalterlichen Huren zu sehen. Sie begleiteten die Konzile der Geistlichkeit und die Abhaltung von Reichstagen in Scharen. Lenks Werk kann demgemäß als „Denkmal für die unbekannte Hure“ interpretiert werden. Zunächst stark angefeindet, dient die Frauenfigur heute als touristisches Markenzeichen von Konstanz.
In den folgenden Jahren entstanden immer mal wieder weibliche Monumentalfiguren, allerdings nur selten im öffentlichen Raum und überwiegend temporär. Beispielhaft dafür ist Marc Quinns vier Meter hohe Frauenfigur aus Marmor, die er zwischen 2005 und 2007 auf einem vakanten Sockel am Trafalgar Square platzierte. Sie zeigte die schwerstbehinderte Künstlerin Alison Lapper während ihrer Schwangerschaft. 2012 wurde eine gigantische Kopie des Werks bei den Paralympics aufgestellt.
Eine weitere temporäre Riesenskulptur errichtete die amerikanische Künstlerin Kara Walker 2014 in einer ehemaligen Zuckerfabrik in New York. Marvelous Sugar Baby stellte eine gigantische Sphinx aus weißem Kunststoff und Zucker dar und verwies auf die historischen Zusammenhänge des transatlantischen Dreieckshandels, der mit Ausbeutung, Sexismus und Rassismus verbunden war. Mehr über Kara Walker gibt es in diesem Beitrag von Kingkunst zu lesen.
Die Bildhauerin Miriam Lenk hat monumentale Frauenfiguren geradezu zu ihrem Markenzeichen gemacht. Mehrere wurden im öffentlichen Raum platziert, andere befinden sich auf dem Ateliergelände der Künstlerin am Bodensee, wo sie Passanten und Touristen Kopfschütteln, Empörung oder Bewunderung abverlangen.
„Ich hatte die Vorstellung einer polytheistischen, sinnenfrohen Gegenkultur nach dem Kampf der Geschlechter: post-patriarchisch und post-feministisch. Die weibliche Sexualität muss nicht mehr verweigert werden, sie wird im Idealfall zweckfrei genossen und gefeiert.“
Miriam Lenk
Miriam Lenks „voluminöse, weibliche, schwellende Figuren treten“, so schreibt es die Berliner Kunsthistorikerin Ulrike Pennewitz, „in einem Klima zeitgenössischer Fleischfeindlichkeit in Erscheinung, an dem der arbeitssame, geduldig sich in die Geschicke der politischen Geschehnisse unterordnende Staatsbürger in Europa Hochkonjunktur hat.“ Wohl wahr!