Hans Makart (1840–1884) ist als Prototyp des »Malerfürsten« in die Geschichte eingegangen. Dabei ist die Bezeichnung »Fürst« etwas missverständlich. Denn der aus einfachen Verhältnissen stammende Makart hatte stets hart an seiner Karriere gearbeitet. Selbst im Zenit seines Erfolges hielt er sich hauptsächlich vor der Leinwand auf.
Über acht Stunden täglich stand der Maler an der Staffelei und schuf mit bewundernswerter Energie seine viel beachteten »Sensationsbilder«. Wenn es ihm nicht schnell genug ging, mischte er Trockenstoffe unter die Ölfarbe, um die rasch hingeworfenen Pinselstriche weiter bearbeiten zu können. Kein Wunder, dass er bei seinen Kritikern als Schnellmaler verschrien war und von einigen Malerkollegen angefeindet wurde.
Mit 29 Jahren war Makart dem Ruf des Kaisers nach Wien gefolgt, wo ihm auf Staatskosten ein Atelier zur Verfügung gestellt wurde. Makart verwandelte diese Arbeitsräume mit kostbarstem Prunk und überladener Dekoration in die wohl berühmteste Malerwerkstatt des 19. Jahrhunderts. In ganz Europa machte die durch heftigen Stilmischmasch geprägte Ateliereinrichtung des gebürtigen Salzburgers Schule.
Kein Künstler steht so sehr für die damalige Wiener Epoche, die Ringstraßenzeit. Sie beginnt 1857 mit dem Erlass des jungen Kaiser Franz Joseph zum Abriss der alten Stadtmauern und dem anschließenden Bauboom rund um den Prachtboulevard der Ringstraße.
Anlässlich der silbernen Hochzeit von Kaiser Franz Joseph I. und Elisabeth konzipierte Makart einen legendären Festzug mit über 12.000 Beteiligten. Er selbst nahm am 27. April 1879 daran teil und ritt im Kostüm des von ihm hoch verehrten Peter Paul Rubens auf einem Lipizzaner durch die Straßen Wiens.
Neidische Künstlerkollegen wie Anselm Feuerbach (1829–1880) sprachen von einer »asiatischen Trödelbude«, wenn es um Makarts Atelier ging. Das tat der Popularität Makarts jedoch keinen Abbruch. Bekannter als Walzerkönig Johann Strauß sorgte der kleine Mann bei Erscheinen im Wiener Straßenbild für Menschentrauben und Verkehrsstaus. Sein Hang zur Selbstinszenierung war offenkundig, denn die Wiener Gesellschaft war täglich eingeladen, das Atelier des Künstlers zwischen vier und fünf Uhr nachmittags aufzusuchen, um ihn live bei der Arbeit zu bewundern.
Nicht selten soll er dort gar in selbst entworfenen Fantasiekostümen anzutreffen gewesen sein. In seiner Schrift Der Makartismus – Pathologische Erscheinung der Neuzeit geißelte der giftige Feuerbach die Opulenz dieses Malers: »Große Leinwände mosaikartig zu bemalen ist ungefähr von guter Kunst so weit entfernt wie eine Hetäre von einer anständigen Frau.« Tatsächlich war Makart um keinen Effekt verlegen. Selbst das Böse und Verruchte wirkt auf seinen Bildern galant und liebreizend.
Die Gesellschaft jener Zeit liebte den wohltemperierten Skandal, der Anlass zur standesgemäßen Empörung und geröteten Gesichtern, wohl aber nicht zu gewaltsamen Ausschreitungen bot – dies war ein internationales Phänomen, wie der Blick auf Frankreich mit den Skandalen um Édouard Manet u. a. zeigt. Ein idealer Nährboden für Makarts Malerei, die sich wohltuend von der Langeweile der vergrübelten Romantiker und ihren Werken absetzte.
Malerfürst Makart und eine Inspiration von Albrecht Dürer
Makart wusste, dass es nicht genügte, das Publikum als virtuoser Sinnenschmeichler zu erfreuen. So machte er sich wieder einmal an ein kolossales Werk: Der Einzug Karls V. in Antwerpen. Entgegen des ihm angehefteten Etiketts eines Schnellmalers nahmen die Vorbereitungen zu diesem Gemälde immerhin vier Jahre in Anspruch. Aber den Vorwurf der Fachleute, Makart würde wichtige historische Ereignisse mit Maskenbällen verwechseln, konnte auch sein neues Projekt nicht entkräften.
Denn für den Maler war der aus dem Jahr 1520 stammende Augenzeugenbericht Albrecht Dürers (1471–1528) höchstens eine flüchtige Inspirationsquelle. Zumal handelte es sich bei diesem Auftritt des Habsburgers nur um eine Durchreise und keineswegs um eine wirklich historische Begebenheit. Ziel der Reise war nämlich Aachen, wo am 23. Oktober 1520 die Krönung des Monarchen zum römisch-deutschen König und damit zum erwählten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stattfinden sollte.
Später, im Jahr 1526, berichtete Dürer gegenüber dem Humanisten Philipp Melanchthon noch, der junge Kaiser habe die »allerreizendsten Jungfrauen, fast nackt, nur in einem sehr dünnen und durchsichtigen Schleier gehüllt«, kaum eines Blickes gewürdigt – ganz im Gegensatz zu ihm selbst, wie er zugibt, allerdings nur mit den Augen des anatomisch interessierten Malers. Schon seit dem 14. Jahrhundert ist der Brauch nachweisbar, einen neuen Herrscher in den Städten seines Reiches mit so genannten ›Lebenden Bildern‹ zu empfangen.
Sie befanden sich vor gemalter Scheinarchitektur auf eigens gebauten Bühnen in Höhe des ersten Stockwerks der Gebäude. Bei Einzug des 20-jährigen Karls gab es insgesamt dreizehn solcher Bühnen. Es ist auch kein Geheimnis, dass dieser Brauch mit weiteren körperlichen Wohltaten einherging. Dem kaiserlichen Tross wurde als Willkommensgeschenk freier Zugang zu den Badehäusern gewährt, was wohl auch für die diversen Dienstleistungen galt, die den noblen Gästen durch Damen und Herren entsprechender Profession zuteil wurden.
Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man Makarts Inszenierung wie eine humorig- subversive Verkehrung der historischen Tatsachen lesen. Der junge Regent erscheint auf einem vor Kraft strotzenden Ross wie ein geschäftstüchtiger Zuhälter, der seine gazellenartigen Mädchen anbietet. Makart versetzte sie von den erhöhten Bühnen einfach ins Getümmel der Straße. Im Sinne eines wohl kalkulierten Skandals ging er diesmal aber noch einen Schritt weiter.
Den nackten Frauen auf dem Gemälde verpasste Makart die Gesichter stadtbekannter Schönheiten der feinen und der weniger feinen Gesellschaft Wiens, was selbstverständlich für größte Aufregung und regen Andrang im Künstlerhaus sorgte. Die Polizei musste ordnend eingreifen, um der Menge Herr zu werden. Das Werk war über lange Zeit das Stadtgespräch aller Bevölkerungsschichten, und angeblich soll es Duelle und Ehescheidungen verursacht haben.
Hans Makart – ein Popstar seiner Zeit
Festzuhalten bleibt, dass Makarts Riesengemälde auch ein großer internationaler Erfolg war. Nach seiner Präsentation im Wiener Künstlerhaus, wo es innerhalb weniger Tage um die 40.000 zahlende Schaulustige gesehen hatten, ging es als Prunkstück zur Pariser Weltausstellung und wurde dort prompt ausgezeichnet. Binnen zwei Jahren war es in Berlin, München, Dresden, London, Hannover und Basel zu sehen, bis es schließlich 1881 von der Hamburger Kunsthalle angekauft wurde, wo es sich bis heute befindet.
Makarts Popularität ist nach heutigen Maßstäben nur mit der von Popstars zu vergleichen. Sein privates Schicksal hingegen verlief weniger glücklich. Mit 33 Jahren war Makart bereits Witwer geworden. Neun Jahre später heiratete er die Primaballerina Bertha Linda. Sie hatte jenseits ihrer großen Bühnenleistungen in ganz Europa allerdings nicht den besten Ruf, was auch Makart zu spüren bekam.
»Die blonde Fee des Balletts« galt als stadtbekannte Kurtisane, die damals vielen Herren des Geldadels zu Diensten gewesen sein soll. Es hieß, der leichtgläubige Maler sei auf die berechnende Linda hereingefallen, was von nicht wenigen als Anzeichen fortschreitender Hirnerweichung im Zuge der ›galanten Krankheit‹, der Syphilis, gedeutet wurde, an der Makart zwei Jahre später starb. Durch den frühen Tod des Künstlers erwachte die Wiener Gesellschaft gewissermaßen aus einer tiefen Hypnose.
Wie die Mode einer Jahre zurückliegenden Saison wirkten Makarts Bilder plötzlich furchtbar alt. Vielen, die zuvor sein Können preisten, war ihr früheres Lob nun peinlich. Historisch betrachtet erscheint Makart als ein Maler, der sich in technischen Finessen verlor.
Und bis heute kann das Urteil Friedrich Nietzsches Gültigkeit für sich beanspruchen, der an Makarts Stil die »üppige Pracht und Fülle der Natur« hervorhob, »bei der alles gar zu süß und überfließend ist, jenem prangenden Reichtum, der nicht erfreut, sondern übersättigt und dessen Anblick uns traurig stimmt«.
Einerseits zeigt die Geschichte Makarts, wie unpassend der in der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit gern vergebene Titel „Malerfürst“ für Georg Baselitz und Markus Lüpertz ist, die in ihrer Karriere nicht annähernd so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten, noch je so prägend für eine Zeit waren.
Passend gleichwohl mag er in der Hinsicht sein, dass selbst hochtrabende Titel kaum davor schützen, dass auch die gefeiertsten Künstler irgendwann einer Revision unterzogen werden, nüchterner betrachtet werden und dann gegebenenfalls sogar in Vergessenheit geraten.
2 comments
Schon wieder was mehr gelernt! Ein selten guter Artikel den du geschrieben hast.
Es ist garnicht leicht über das Thema im Internet
was zu recherchieren.
Vielen Dank! Es freut uns, wenn der Artikel bei der Recherche geholfen hat.