Der Maler Anne-Louis Girodet de Roussy Trioson (1767–1824), ein Schüler Jacques-Louis Davids, sorgte 1799 mit einem fulminanten Gemälde für einen Kunstskandal. Alles begann mit einem harmlosen Porträtauftrag. Der weithin geschätzte Künstler sollte die Schauspielerin Anne Françoise Elisabeth Lange, genannt Mademoiselle Lange, auf einem Gemälde verewigen.

Sie war in der Pariser Gesellschaft für ihre Schönheit, ihr Talent und für ihre vermögenden Liebhaber bekannt. Girodet stellte das Porträt im Salon von 1799 aus und wurde von der Kritik mit wohlwollenden Kommentaren bedacht. Aber es gab auch andere Stimmen. In der Presse wurde das Porträt als zu kalt und nüchtern geschildert. Statt wallendem Haar habe der Künstler Mademoiselle Lange Schlangen auf den Kopf gemalt.

Davon ließ sich die Schauspielerin beeinflussen und geriet mit Girodet in Streit über das Bild und den vereinbarten Preis, von dem sie nur noch die Hälfte zu zahlen bereit war. Sie forderte Girodet auf, das Bild binnen 24 Stunden aus der Salonausstellung zu entfernen. Als dann noch despektierliche Äußerungen von Mademoiselle Langes Ehemann an Girodets Ohr drangen, konnte der Künstler sein hitziges Gemüt nicht mehr im Zaum halten.

Der ansonsten mit besten Manieren ausgestattete Girodet zerhackte sein eigenes Bild und ließ die kümmerlichen Reste in einem Handtuch gewickelt der Schauspielerin schicken. Damit war der Künstler allerdings noch nicht besänftigt. Girodet sann auf Rache und zog sich in sein Atelier zurück, um innerhalb von nur acht Tagen – er galt eigentlich als notorisch langsamer Maler – ein wahrhaft skandalöses Werk zu schaffen, das unter dem Titel Mademoiselle Lange als Danaë in die Kunstgeschichte einging. 

Girodets Danae
Anne-Louis Girodet de Roussy Trioson, Portrait of Mademoiselle Lange as Danae, 1799. Minneapolis Institute of Arts

Danaë ist eine Figur der griechischen Mythologie. Die Tochter des Königs Akrisios und der Eurydike ist eine alte Bekannte auf den Tableaus der Künstler. Sie galt als Vorläuferin der unbefleckten Empfängnis, weil Zeus sie in Form eines Goldregens begattete, worauf Danaë ihren Sohn Perseus gebar. Doch Girodet schuf eine Variante von Danaë, bei der die enge Verbindung von Lust und Geld unübersehbar war.

Keine Frage, dass Girodet die Schauspielerin Mademoiselle Lange hier als Hure inszenieren wollte. Der neblige Goldregen des Mythos hatte sich bei ihm in einen ergiebigen Schauer von Goldmünzen verwandelt. Wahrscheinlich nutzte Girodet Skizzen früherer Porträtsitzungen, zumindest wurde der Gestalt auf seinem Rachegemälde eine frappierende Ähnlichkeit mit der Schauspielerin bescheinigt.

Antike Vorlage für Girodets Danae
Antike Vorlage für die Darstellung der Danaë

Das Thema der Danaë war für Girodet kein neues. Nur ein Jahr zuvor malte er eine imposante Danaë, die sich selbst im Spiegel betrachtet. Es ist im Museum der Bildenden Künste in Leipzig zu sehen. Girodet hatte es 1798 für 600 Francs verkauft. Nach Girodets Tod im Jahr 1824 explodierten die Preise für seine wenigen Gemälde (angeblich nur 26 vollendete Werke). Amor und Danaë wurde 1825 für 25.000 Francs verkauft.

Auf dem Bild ist nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, Mademoiselle Lange zu sehen. Wenn es nach einer realen Person gemalt wurde, dann war es vermutlich Thérésia Cabarrus, die ebenfalls eine Weile als Schauspielerin wirkte und damals als “Madame Tallien” bekannt war. Sie war zur fraglichen Zeit die Geliebte des Auftraggebers. Ihr Leben war übrigens noch bewegter als das von Mademoiselle Lange und verdient schon lang eine Würdigung in Film oder Serie.

Vermutlich Madame Tallien als Danaë
Detail von Amor und Danaë, 1798, Museum der Bildenden Künste, Leipzig

Girodets Rache auf der großen Bühne

Zwei Tage lang hing Girodets neue Danaë, frisch aus dem Atelier kommend, in der zu Ende gehenden Salonausstellung und sorgte dort für einen gewaltigen Auflauf des vor Neugier geifernden Pariser Publikums. Anders als damals sind die vielen im Bild verteilten allegorischen Details heute kaum zu entziffern, denn mit dem Mythos der Danaë haben sie nichts zu tun. Ja, man könnte das Gemälde fast für das Werk eines Surrealisten halten, in dem unzählige kleine Rätsel auftauchen, die keinen Sinn ergeben.

Dieser Eindruck verstärkt sich noch durch Girodets Malweise, mit der er seinen Bildern eine seltsam schwüle, aquariumhafte Atmosphäre verlieh. Fast scheint die Szenerie wie durch einen Fieberschleier betrachtet. Es ist eigentlich erstaunlich, dass Girodet heute nicht bekannter ist, denn die Qualität seiner Malerei verschaffte ihm damals nicht nur einen hervorragenden Ruf und ein gutes Auskommen als Portraitmaler. Er sorgte schon sehr früh in seiner Karriere für Aufsehen und trat aus dem großen Schatten seines Lehrers David, z.B. mit der frappierenden Homoerotik seiner romantischen Interpretation des Endymion.

Girodet Schlaf des Enymion
Frühes Werk der Romantik: Girodets “Der Schlaf des Endymion”, 1791, Louvre
Nacktstudie für das Portrait von Napoleon im Herrschergewand, ca. 1812, Louvre
Portrait des Jean-Baptiste Belley, gemalt vor 1797, Versailles

Deutung der Details

Jede Kleinigkeit des Bildes bezieht sich in kaum zu fassender Boshaftigkeit auf das für damalige Verhältnisse als wenig tugendhaft geltende Treiben einer Schauspielerin, deren Privatleben den Tratsch der Pariser Gesellschaft bereicherte.

Die üppige Staffage aus Pfauenfedern ist dabei noch das einfachste zu entschlüsselnde Symbol für die Eitelkeit einer Frau, die reihenweise Männer in ihren Bann zog – darunter den wohlhabenden Weinbauern Beauregard aus Corbigny. Bald wurde bekannt, dass er zu Beginn seiner Leidenschaft stattliche 10.000 Livres (heute grob geschätzt 100.000 Euro) für 12 Stunden mit der schönen Schauspielerin hingeblättert hatte. Beauregard kaufte unter anderem das Hôtel du Salm gegenüber dem Musée d’Orsay in Paris, spendierte dort rauschende Feste und machte in der Presse von sich reden, bis sein Vermögen durchgebracht war.

Schließlich kam er sogar wegen Betrugs vor Gericht, dessen Urteil er sich aber genauso entzog wie seinen vielen Gläubigern. Da war Mademoiselle Lange aber schon längst mit ihm fertig und bändelte bereits mit dem reichen Bankier Hoppé an. Hoppé war Gesandter einer Hamburger Bank, der geschäftlich in Frankreich ein glückliches Händchen bewiesen hatte und durch Provisionen zum Multimillionär geworden war. Er überschüttete die bezaubernde Anne mit allerlei verrücktem Luxus, zum Beispiel Spitze aus Königin Marie-Antoinettes Nachlass oder Federschmuck, der so teuer war, dass er in der Presse kommentiert wurde.

Aus dieser Beziehung ging Langes Tochter Palmyre hervor, die auf dem Gemälde der Mutter hilft, die Goldstücke einzufangen. Auch das hat einen realen Hintergrund, denn nach der Trennung von Hoppé erhielt Mademoiselle Lange die gewaltige Summe von 200.000 Livres für die Erziehung des Kindes unter der Voraussetzung, dass die Schauspielerin ihre Theaterkarriere aufgibt. Kaum hatte die lebenslustige Frau das Geld eingestrichen, zog es sie zurück auf die Bühne, worauf der erzürnte Ex sogar ein Gerichtsverfahren wegen des Sorgerechts anstrengte.

Mit Michel-Jean Simons, ihrem neuen und natürlich reichen Herzensmann, wollte die Schauspielerin schließlich sogar den Bund der Ehe eingehen. Der Erwählte ließ sich dafür von seiner Frau scheiden. Doch Simons Vater, der ein Vermögen als Kutschenhersteller gemacht hatte, reiste erbost aus Brüssel an, um die Hochzeit seines Sohnes mit Mademoiselle Lange zu verhindern. Kaum aber war der aufgebrachte Vater in Paris, verliebte er sich in eine ebenfalls auf der Bühne aktiven Freundin der Mademoiselle, so dass es nun zwei Hochzeiten zu feiern gab. 

Anne-Louis Girodet-Trioson: Selbstbildnis 1824, Orléans, Musée des Beaux-Arts

Mademoiselle Lange – das Pariser It-Girl

Das Milieu, in dem die schöne Anne ihre Liebhaber rekrutierte, hatte beste Verbindungen zum Direktorium, der französischen Regierung. Bei der Hochzeit von Mademoiselle Lange und Simons war sogar der Außenminister Talleyrand zugegen. Aber Lange hatte nicht nur Glück. Die Tochter zweier Wandermusiker war in den Wirren der Französischen Revolution sogar in Haft gekommen und zum Tode verurteilt worden, weil sie in einem Stück mit royalistischen Untertönen gespielt hatte.

Allerdings hatte sie damals schon genügend Freunde in hohen Positionen, die ihre Hinrichtung bis zum Sturz Robespierres verhindern konnten. Als Frau von Monsieur Simons musste sie später immerhin verkraften, dass ihre üppig dekorierte Stadtvilla, in der sie zahlreiche Partys feierte, bei den Bonapartes Begehrlichkeiten weckte.

Der kleine Bruder von Napoleon, Louis Bonaparte, wollte das Anwesen mit kompletter Inneneinrichtung für seine Frau Hortense – die Stieftochter seines großen Bruders – haben, und das Ehepaar Simons war im Hinblick auf die geschäftlichen Kontakte schlau genug, dieser Bitte nachzukommen – was aber letztlich den Konkurs von Simons im Jahr 1810 nicht verhinderte. 

Jedes Detail des Bildes lässt sich auf Langes Liebesleben beziehen; am auffälligsten ist der hässliche Truthahn links im Bild, der von einem kleinen Amor mit Pfauenfedern geschmückt wird. Zeitgenossen bescheinigten dem Vogel große Ähnlichkeit mit Langes Ehemann, der durch seinen kritischen Kommentar zum ersten Porträt den besonderen Zorn des Künstlers auf sich gezogen hatte.

Die Demütigung der Schauspielerin durch Girodets Gemälde, gleichwohl es nur zwei Tage ausgestellt war, soll zeitgenössischen Quellen zufolge dazu geführt haben, dass sie ihr Bühnenengagement aufgeben musste. Girodet empfand darüber wohl ein gewisses Bedauern, jedenfalls lehnte er es ab, das Bild selbst guten Freunden noch mal zu zeigen und er drohte allen, die das Motiv kopierten oder in Stichen vervielfältigen mit rechtlichen Konsequenzen.

Sicher hat Girodet mit seiner moralischen Anklage gegen Falschheit, Habgier und Eitelkeit in seinem Rachebild dem jungen Genre Vorschub geleistet, das der moralischen Erziehung des Publikums verpflichtet war. Doch schließlich war Girodet selbst Akteur der amourösen Umtriebe in der Pariser Gesellschaft, hatte er doch später eine langjährige Affäre mit Mademoiselle Langes Freundin und ›Schwiegermutter‹.

Um mehr über Girodet zu erfahren und seine Malerei zu studieren empfiehlt sich ein Besuch im Musée Girodet in Montargis.

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