Das 20. Jahrhundert brachte eine Unmenge von Diktatoren hervor. Ob Hitler, Stalin und Mao, oder  Bokassa, Gaddafi und Saddam Hussein: All die starken Männer benutzten Maler, Bildhauer und Dichter, um sich und ihr System verherrlichen zu lassen. Heute sind es autoritäre Präsidenten, die gern die Dienste von Künstlern in Anspruch nehmen – oder Künstler, die sich in ihren Werken den Machthabern andienen. Mehr dazu auch hier.

Für den großen Vorläufer jener Staatskünstler, die sich mit all ihrer Kraft den politischen Machthabern andienten, muss man gar nicht allzu weit in die Geschichte zurückgreifen. Jacques-Louis David (1748–1825) ist der Nachwelt einerseits als offizieller Maler der Französischen Revolution, andererseits als Hofkünstler des Kaisers Napoleon in Erinnerung geblieben.

Weniger bekannt sein dürfte aber die Tatsache, dass David nicht nur eine ungeheure Geschmeidigkeit demonstrierte, seine Fahne stets nach dem Wind zu drehen, sondern sich in den unruhigen Jahren nach der Französischen Revolution 1789 die Hände nicht nur mit Farbe schmutzig machte.

Die Revolution fegte die Monarchie hinweg, aber die neue Republik musste sich sofort fremder Armeen erwehren, die dem gestürzten König zu Hilfe eilten. Im Zuge eines blutigen Bürgerkriegs in der Provinz radikalisierte sich die Revolution. Terror und Massenhinrichtungen wurden zu beliebten politischen Methoden, bis sie völlig außer Kontrolle gerieten.

Die großbürgerlich-girondistische Fraktion, die von den Jakobinern zunächst ausgebootet worden war, bekam das Heft wieder in die Hand und verhinderte, dass sich die Revolution selbst kannibalisierte. Stattdessen lenkte sie die Aggression nach außen: Zwischen 1795 und 1799 verfolgte das so genannte Direktorium eine ausgesprochen expansionistische Politik.

Dem Feldherrn Napoleon Bonaparte ging dies nicht weit genug: Er putschte sich an die Macht und eroberte fast ganz Europa. Mitten im Geschehen befand sich Jacques-Louis David. 

Jacques-Louis David Der Schwur der Horatier
Ausgangspunkt einer unvergleichlichen Karriere: Jacques-Louis David, Der Schwur der Horatier ,1784, ist 14 Quadratmeter groß und wurde im Pariser Salon gepriesen. Heute ist es im Louvre zu sehen.

Schon in den Jahren vor der Revolution war Jacques-Louis David ein erfolgreicher Künstler, der in die Akademie des Beaux Arts berufen worden war und eine Wohnung im Louvre beziehen durfte. Geschult an den antiken Vorbildern seiner Italienstudien etablierte er einen klaren, „klassizistisch“ genannten Stil, seine heroischen Themen trafen kompromisslos auf die lustvolle, geistreiche und nach über 60 Jahren stilistischer Dominanz manchmal auch überzuckert empfundene Bildwelt des Rokoko.

Um diese ästhetische Revolte, die der politischen Revolution vorausging, nachempfinden zu können, stellen wir hier eines von Davids berühmtesten Gemälde, Der Schwur der Horatier, aus dem Jahr 1784, ein paar Gemälde jener Künstler gegenüber, die in den Jahrzehnten davor die (heute weithin unterschätzte) Epoche des Rokoko in Frankreich prägten – Watteau, Boucher und Fragonard.

Antoine Watteau, Einschiffung nach Kythera, 1717 (hier Version 2 von insgesamt 3, im Louvre zu sehen. Die 1. Version von 1710 ist im Städel Frankfurt/M. zu sehen, Version 3 von 1717/1718 ist im Schloss Charlottenburg, Berlin)
François Boucher, Amor als Gefangener, 1754, zu sehen in London, Wallace Collection. Seine Schüler waren u.a.: Jean-Honoré Fragonard und Jacques-Louis David!
Jean-Honoré Fragonard, Die Schaukel, 1767 oder 1768, zu sehen in London, Wallace Collection.

Vor Jacques-Louis Davids martialischem Bild legte das Publikum Blumen nieder, die Damen der Gesellschaft begannen sich in weite „römische“ Gewänder zu hüllen – wie die Römerinnen im Gemälde. König Ludwig XVI. kaufte das Bild sogleich an und gab ein weiteres bei Jacques-Louis David in Auftrag – obwohl Der Schwur der Horatier durchaus ambivalent zu lesen war und weniger der Weisheit königlicher Führung als dem kompromisslosen Patriotismus des Volkes verpflichtet war.

Während der Französischen Revolution bekamen diejenigen Künstler Schwierigkeiten, die gerade noch im Dienst des Königs gestanden hatten. Manche flüchteten an ausländische Fürstenhöfe, manche wurden sogar hingerichtet. Nicht so Jacques-Louis David: Geschickt schwang er sich in jenen turbulenten Jahren zum Staatskünstler der Revolution auf. Sein Einfluss als Künstler, der angesichts einer großen Klasse von Schülern – darunter ähnlich begabte Maler wie Jean-Auguste-Dominique Ingres und Anne-Louis Girodet-Trioson – ohnehin schon beträchtlich war, wuchs weiter.

Jacques-Louis David – Chefdesigner der Revolution

Mit seinen heroischen Gemälden aus den 1780er Jahren hatte er sich bereits als Patriot empfohlen. Aber damit nicht genug. Seine privilegierte Stellung als bekannter Künstler und sein guter Name brachten ihn schnell ins politische Entscheidungszentrum der Revolution. So wurde er 1792 im Alter von 44 Jahren zum Mitglied des Nationalkonvents gewählt und war dort keineswegs nur ein Hinterbänkler. Diese revolutionäre Versammlung sollte eine neue Verfassung für Frankreich erarbeiten.

Jacques-Louis David avancierte zum offiziellen Kunstbeauftragten der Republik. Als „Chefdesigner“ der Revolution inszenierte er zwischen 1792 und 1794 zahlreiche „Fêtes Revolutionaires“ – pompöse, von dröhnender Marschmusik begleitete Umzüge, deren Teilnehmer bis ins kleinste Detail im antiken Stil gekleidet waren. David verfasste zahlreiche Reden über die patriotisch-erzieherische Wirkung der Kunst, ein Dutzend davon wurden auf Staatskosten gedruckt und landesweit verteilt.

Jacques-Louis David bemühte sich, die Zeit der wilden Plünderungen von Kunstsammlungen, die früher Adligen gehört hatten, zu beenden und die Werke in „Revolutionsmuseen“ zu überführen – allerdings nur solche Werke, die politisch genehm waren.

Marie Antoinette auf dem Weg zur Guillotine, Federzeichnung Jacques-Louis Davids mit der Abbildung der vormaligen französischen Königin Marie Antoinette kurz vor ihrer Hinrichtung am 16. Oktober 1793 in Paris. (Louvre)

Insgesamt war David zeitweise Mitglied in zwanzig verschiedenen Körperschaften der Revolution. Die beiden wichtigsten davon waren das Volkserziehungskomitee und das Sicherheitskomitee, das auch für die Bekämpfung der politischen Gegner zuständig war. Etwa ein Zehntel der Dekrete dieses Polizeigremiums trug Davids Unterschrift: Haftbefehle gegen Aristokraten, Überstellungen von Verdächtigen an das exekutierende Revolutionstribunal, Verhöre verdächtiger Künstler oder geheimpolizeiliche Überwachung der Konventsabgeordneten.

Ein Künstler lässt Köpfe rollen

Die Mitgliedschaft machte ihn quasi zum Mitunterzeichner zahlreicher Todesurteile. Um Künstler, die in ihren Werken die Revolution und Republik „verunglimpften“, effizienter verfolgen und bestrafen zu können, erarbeitete Jacques-Louis David ein scharfes Gesetz gegen Propagandadelikte. Er selbst führte auch Verhöre von Kulturschaffenden wie beispielsweise des Dichters Marie-Joseph Chénier durch. Jener hatte in einem Theaterstück in antiker Verkleidung die Herrschaft der Jakobiner attackiert. Von David zur Räson gebracht zerstörte der Dichter – um sein Leben bangend – sein Manuskript in Gegenwart des Malers.

Ein Portrait Marie-Joseph Chéniers, möglicherweise von Jacques-Louis David selbst oder aus dem Kreis seiner Schüler

Im Januar 1793 stimmte David im Konvent für die Hinrichtung seines ehemaligen Auftraggebers, König Ludwigs des XVI. Wie der Künstler votieren auch die prominenten Konventmitglieder Jean Paul Marat und Le Peletier de Saint Fargeau für die Hinrichtung des Monarchen. Bald darauf wurden beide von Anhängern des Königs ermordet, was den Terror gegen Revolutionsgegner weiter verschärfte. David erhielt den Auftrag, die beiden Abgeordneten als erste „Märtyrer der Republik“ zu verewigen. Den toten Marat, der auch sein politischer Mentor gewesen war, verewigte er in einer gefühlsgeladenen Ikone. 

Aufruf zum Terror gegen Feinde im Inneren? Jacques-Louis David, Der Tod des Marat, 1793, zu sehen in den Königlichen Museen der Schönen Künste, Brüssel

Drucke des Marat-Gemäldes (bzw. von Stichen nach dem Gemälde) fanden zu Zigtausenden im ganzen Land Verbreitung. Zum Bau eines monumentalen Marat-Denkmals, das David plante, sollte es nicht mehr kommen: Mit dem Sturz des radikalen Revolutionsführers Maximilien de Robespierre im Jahr 1794 geriet auch sein Gefolgsmann David ins Straucheln.

Noch kurz vor dem Umschwung hatte David Robespierre versichert, er werde gemeinsam mit ihm den Giftbecher trinken, wenn die Zeit gekommen sei. Klugerweise war er am Tag der Verhaftung Robespierres dem Konvent ferngeblieben. Das ersparte ihm die sofortige Hinrichtung. Stattdessen kam er zweimal hinter Gitter, wurde für jeweils einige Monate festgehalten.

In Haft sagt er sich von Robespierre los und behauptete, von diesem getäuscht worden zu sein. Im Gefängnis gewährte man dem Künstler immerhin Malutensilien, trotz mangelnder Aussicht entstand so sein einziges Landschaftsbild, während seine Marat-Ikone umgehend aus dem Konventsaal entfernt wurde. Nachdem sich Bürgen für ihn eingesetzt hatten, kam David wieder frei. Schon im Folgejahr ging seine Karriere weiter. 

Der Republikaner David wurde Hofmaler des frischgebackenen Kaisers

Seine im Ancien Régime und in der Republik erworbene Prominenz kam David auch bei der Begegnung mit Napoleon Bonaparte zugute: dem aufstrebenden Militärführer stellte man David als „großen Maler“ vor. Die dritte Karriere des Jacques-Louis David konnte beginnen; der revolutionäre Republikaner wurde Hofmaler des frisch gebackenen Kaisers und damit zum Großverdiener. Für seine Bilder kassierte er zusätzlich zum Festgehalt Rekordsummen. Überaus vorteilhaft stellte David den pausbäckigen kleinen Regenten dar, ob im Hermelinmantel oder hoch zu Ross.

Napoleon in der Darstellung des Staatskünstlers Jacques-Louis David
Jacques-Louis David, Napoleon überschreitet den großen St. Bernhard-Pass 1801, Belvedere, Wien

Detailgenaue Technik und reiches ikonografisches Wissen erlaubten es dem Künstler, den Aufsteiger Napoleon als Nachfolger historischer Größen darzustellen, etwa im Gemälde der Alpenüberquerung, wo er als Erbe Hannibals und Karls des Großen erscheint. Napoleon hatte die Alpen allerdings nicht auf einem prächtigen Schimmel bezwungen, sondern war dösend auf einem Maultier die Hänge hinaufgezuckelt.

Als Napoleon die Macht schließlich verlor und die Dynastie der Bourbonen zurückkehrte, schaffte David eine erneute Wende nicht und musste 1816 nach Brüssel emigrieren. Immerhin fand er im niederländischen König Wilhelm I. einen neuen Gönner.Wiederholte Bitten, nach Frankreich einreisen zu dürfen, schlugen die regierenden Bourbonen ab. Ihnen galt David als ein treuer Anhänger Napoleons, und so musste er bis zu seinen Tod im Exil bleiben.

Nicht einmal die Überführung der Leiche erlaubten sie, nachdem David 1825 gestorben war. Nur sein Herz, das so bedingungslos und patriotisch für die jeweiligen Machthaber Frankreichs geschlagen hatte, durfte in Paris beigesetzt werden. Nie wieder sollte ein Staatskünstler in Europa eine derartig exponierte und politisch bedeutsame Position wie Jacques-Louis David einnehmen.



Titelbild unter Verwendung eines Selbstportraits von Jacques-Louis Davids und eines Bildes von Denny Müller auf unsplash

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