Kunst im öffentlichen Raum – das sind die immer gleichen Würfel und drehbaren Kugeln in den Fußgängerzonen, die bronzenen Harlekins und kauernden Gestalten auf Grünflächen oder die aus Stahlblech ausgestanzten Großfiguren, die auf Verkehrsinseln vor sich hin rosten. Seitdem traditionelle Bauplastik und Figurendenkmäler durch das autonome Kunstwerk verdrängt wurden, gibt es diese Art von Stadtmöblierung.
Natürlich, das Phänomen Kunst im öffentlichen Raum ist vielfältig. Es gibt temporäre Installationen wie zum Beispiel im Zusammenhang der Skulptur Projekte alle zehn Jahre in Münster. Es gibt Ausstellungen, die in den öffentlichen Raum übergreifen (siehe z.B. hier). Und es gibt natürlich viele kleine und große Eingriffe durch private Initiativen – Graffiti sind dafür nur eines von mehreren Medien.
Nicht zuletzt schaffen auch die vielen Straßenkünstler, die ihre Kunst dort wo Menschen sind fertigen und anbieten, Kunst im öffentlichen Raum.
In diesem Beitrag geht es vor allem um die Kunst im öffentlichen Raum, die kommt um zu bleiben. Sie resultiert manchmal aus dem schlechten Gewissen der Architekten und Stadtplaner, die eine verhunzte Gegend wieder etwas humaner gestalten wollen, manchmal steckt ein Sozialprogramm für bestimmte lokale Künstler dahinter, denen Aufträge zugeschoben werden sollen – oftmals spielt die zänkische Kommunalpolitik eine entscheidende Rolle beim Ausloben von Wettbewerben. Bürgermeister, Sponsoren und Landräte wollen sich damit vor allem selbst ein Denkmal setzen oder ihre Wähler mit einer städtebaulichen Aufwertung bestimmter Viertel belohnen.
Manche lokal und regional tätige Künstler haben es durch gute Vernetzung und Lobbyarbeit geschafft, sich mit Aufträgen zur Kunst im öffentlichen Raum einen Namen zu machen. Je kleiner die Kommunen sind, die solche Aufträge vergeben, um so größer die Chancen mittelmäßiger Künstler, an Qualitätsstandards und Wettbewerbshürden vorbeizukommen. Wer mit dem Bürgermeister seit Jahren per Du ist, kommt hier zum Zuge.
Kunst nach Ratsherrenart: Manch ein lokaler Entscheidungsträger möchte keinen fachlichen Ratschlag von außen und vertraut lieber seinem „gesunden Menschenverstand“ in Sachen Kunst – mit entsprechenden Resultaten. Denn zu modern oder zu intellektuell darf es nicht sein, das kommt beim Wähler nicht gut an. Lieber gediegenes Kunsthandwerk und figürliche Motive mit leicht surrealen oder abstrakten Akzenten – diese Mischung hat sich seit den 1950ern bewährt.
Bei vielen mittelmäßigen Kunstwerken im öffentlichen Raum trifft den Künstler eigentlich die geringste Schuld. Sein Entwurf, mit dem er den Wettbewerb gewonnen hatte, war häufig weit besser als die nachfolgende Realisierung, bei der zahlreiche Personen und Ämter Mitspracherecht besaßen und zahlreiche Kompromisse ausgehandelt werden mußten – bis der Künstler sein eigenes Werk kaum mehr erkennt.
Klaus Kemp, langjähriger Leiter im Amt für Kunst und Wissenschaft der Stadt Frankfurt, hat diesen bürokratisch-demokratischen Prozess, der leider oft zum Nachteil der Kunst ausfällt, einmal unter dem Begriff „Die Bausitzung“ protokolliert: In Wirklichkeit sind Bausitzungen die ritualisierten Beisetzungsfeierlichen für gute Ideen“. (Quelle: Klaus Kemp, Papierkorb trifft Hochhaus. Essays zum öffentlichen Raum, Frankfurt 2004, S. 19ff)
Kunst im öffentlichen Raum in der Mühle der Bürokratie
Oftmals beginnt der Vorgang mit einer lokalpolitischen Initiative, einen Stadtteil oder Platz durch Kunst aufzuwerten („irgendetwas kommunikatives, aber nicht zuviel Veränderung!“) Ein Wettbewerb wird ausgelobt und eine möglichst renommierte Fachjury aus Politikern, Professoren, Städteplaner und Architekten berufen. Aus Zeitgründen werden die eingereichten Entwürfe an einem Tag ausgestellt und von der Jury begutachtet. Dann folgt das Votum und anschließend der Entscheidungsprozess, der allzu oft von Kompetenzgerangel und Prestigedenken der Juryteilnehmer beherrscht wird – um die Kunst geht es nur nebenbei.
Besonders erfolgreich ist dabei der „kritische Geist“, der lange Vorträge zur von ihm selbst konstruierten Problematik der Sachlage gibt und dann möglichst elegant zum Pragmatischen konvertiert. Ist die Entscheidung gefallen, werden zweite und dritte Preise sowie lobende Erwähnungen vergeben – um die unterlegenen Jurymitglieder zu versöhnen.
Nun geht die Sache noch eine Weile durch die Lokalpresse, dann beginnt der Planungsvorlauf der beteiligten Behörden. Schließlich sitzt der Wettbewerbsgewinner in der Bausitzung den Vertretern des Bauherren, des kommunalen Bauamtes, den Sonderingenieuren für Wasser, Strom, Statik, Straßenbelag, den Vertretern von Gartenbau- und Straßenbauamt.
Der Künstler hat nun keine schützende Jury mehr im Rücken, die ist schon längst zum nächsten Wettbewerb geeilt – da gibt es richtige Profis unter den Juroren. Auch die euphorischen Lokalpolitiker von damals haben nun andere Probleme – manche von ihnen sind überdies vielleicht schon abgewählt. Und vielleicht hat auch der Künstler selbst inzwischen auch schon andere Pläne und Projekte, wobei ihm der Wettbewerbsgewinn bestimmt einen Imagezuwachs und möglicherweise private Folgeaufträge eingebracht hat.
Doch nun geht es an die Realisierung dieses „Altfalles“, denn auf das fällige Honorar möchte er nicht verzichten. Als erstes eröffnet man ihm, daß die Haushaltslage gerade „extrem angespannt“ ist – zur Zeit des Wettbewerbs sei noch mehr Geld vorhanden gewesen, so daß bei der Ausführung des Entwurfs auf strenge Kostendisziplin geachtet werden müssen. Eine Reihe von Extras und Details sei nun nicht mehr finanzierbar. Man müsse „auf allen Ebenen über Alternativen und Vereinfachungen“ nachdenken.
Hinzu kommen Ansprüche an die zukünftige Sicherheit und Pflege des Objekts und Zuständigkeitskonflikte der beteiligten Ämter. Schnell muß der Wettbewerbsgewinner erkennen, daß von seiner ursprünglichen Idee nicht viel übrig bleibt, wenn er nicht um jedes Detail kämpft. Da er mit dem Wettbewerbsgewinn den Hauptteil seines ideellen Gewinns eingebracht hat und er den siegreichen computersimulierten Entwurf bereits als Referenz verwenden konnte, streckt der Künstler leicht die Waffen.
Denn welcher potentielle Auftraggeber wird schon in eine andere Stadt reisen, um die Ausführung des Entwurfs zu begutachten. Auf diese Weise werden viele gute künstlerische Ideen durch die bürokratische Arbeitsweise der Kommunalpolitik zurechtgestutzt, bis nur genormtes Mittelmaß übrig bleibt. Um die schlimmsten Desaster zu vermeiden, gibt es für Kommunen mittlerweile eine Handreichung.
Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn Städte und Ländern Friedhöfe für ausrangierte alte Denkmäler und Kunstwerke einrichten würden – Berlin hat mit der Dauerausstellung “Enthüllt – Berlin und seine Denkmäler” schon etwas vorzuweisen.
Davon abgesehen ist nichts gegen erregte Debatten um Kunst im öffentlichen Raum einzuwenden – auch das gehört zur Demokratie, bis hin zu diplomatischen Verwicklungen, wie der aktuelle Fall eines Denkmals für koreanische Zwangsprostituierte im Zweiten Weltkrieg, das in Berlin aufgestellt wurde und japanische Proteste hervorrief.
Kunst im öffentlichen Raum – ein breites Feld auch für gesellschaftlichen Debatten. Und endlich erreicht die Kunst hier mal ein großes Publikum.
In autoritären oder halbautoritären Staaten sind der Geschmacklosigkeit hingegen kaum Grenzen gesetzt, wie Monsterbildhauer Surab Zereteli demonstriert. Ihm werden wir demnächst einen eigenen Beitrag widmen. Weiteres zum Thema „Kunst im öffentlichen Raum“ gibt es demnächst dann auch hier in einem zweiten Teil zum Thema zu lesen.